Was tun, wenn das Schreiben stockt?

Die Sprachwissenschaftlerin und Schreibberaterin Karin Wetschanow spricht darüber, welche Möglichkeiten es gibt, Schreibblockaden zu überwinden. Dabei geht es ihr weniger um psychologische Blockaden als vielmehr um das weit mehr verbreitete Problem: „Ich tu mir schwer beim Anfangen.“

Was ist die häufigste Art der Schreibblockade beim Entstehen einer VWA?
Karin Wetschanow: Gerade beim vorwissenschaftlichen Schreiben haben Schülerinnen und Schüler wenig Erfahrung. Wie lange dauern die Arbeitsschritte, was ist gute Literatur? Anfangs findet man vielleicht schnell einmal fünf Bücher, aber dann erkennt man, dass diese für das gewählte Thema nicht wirklich hilfreich sind. Manche Schülerinnen und Schüler nehmen sich gerade bei der VWA auch zu viel vor. Das kann hemmen. Einige wissen dann schlicht nicht, wie sie beginnen sollen. Das Projekt scheint zu groß, zu neu.

Wie fällt der Schreibstart leichter?
Ich würde dazu raten, Schritt für Schritt zu planen. Dabei hilft die Einteilung der Arbeit in mehrere Stufen, wie Ihre Website es auch vorgibt. Kann ich in dem großen Projekt VWA kleine Arbeitsschritte benennen? Kann ich Ausstiegsszenarien einbauen? Man könnte etwa mit seiner Betreuungsperson sprechen und festlegen, statt drei Interviews nur zwei zu machen, falls das Projekt zu groß wird. Die meisten VWAs sind ohnehin zu groß angelegt.

Viele Schülerinnen und Schüler klagen darüber, beim Schreiben leicht abgelenkt zu sein. Sie müssen dann erst einmal die Stifte ordnen oder das Zimmer aufräumen, bevor sie loslegen können.
Dafür gibt es eine wissenschaftliche Erklärung. Viele dieser Tätigkeiten, die man sich aussucht, um vom Schreiben abzulenken, sind welche, die eigentlich Ordnung schaffen. Wenn ich äußerlich Ordnung schaffe oder wenn ich laufen gehe, ordnen sich meine Gedanken. Das ist eigentlich ganz gut. Wenn ich die Zeit, die ich für diese Tätigkeiten benötige, einplane und zu meiner eigentlichen Schreibtätigkeit hinzurechne, dann ist das okay. Dann räume ich halt eine Stunde auf und schreibe 20 Minuten lang.

Von Thomas Mann stammt der Spruch: „Ein Schriftsteller ist jemand, dem das Schreiben schwerer fällt als anderen.“ Schreibprofis haben das Problem der Schreibblockade also auch?
Wenn man sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse ansieht, ist es tatsächlich so, dass diejenigen, denen das Schreiben leichtfällt, nicht unbedingt die sind, die auch gut schreiben. Die Tendenz geht eher in die andere Richtung. Diejenigen, die sich sehr leicht tun, haben auch eine gewisse „Wurstigkeit“. Sie bringen schnell einmal etwas zu Papier, was ja okay ist, sie sind dann aber auch schnell damit zufrieden und überarbeiten das Geschriebene nicht.

Wie erkennt man, dass eine Schreibblockade psychologisch begründet ist?
Wenn ich beispielsweise versuche einen Satz zu schreiben und diesen tausendmal umformuliere und immer noch unzufrieden bin, obwohl mir schon alle sagen, dass er gut ist. Wenn einem alle Tipps nichts helfen, man sich ehrlich bemüht, aber trotzdem nichts ändern kann und darunter leidet, dann würde ich psychologische Hilfe anraten.

Vielleicht hilft es – gerade beim Schreiben einer VWA –, ein Thema zu wählen, das einen persönlichen Bezug hat ...
Das ist ein wichtiger Punkt. Schülerinnen und Schüler werden oft genau dazu angehalten, weil sie ja nicht in der Wissenschaft beheimatet sind. Man hofft, dass sie so leichter auf ein Thema stoßen. Jetzt ist es aber so: Wenn etwas zu nahe an mir und meinen Problemen dran ist, führt auch dies oft zu Schreibblockaden. Wir wissen beispielsweise, dass ganz viele Jugendliche über Essstörungen schreiben, wobei es dann um den Tod eines nahen Verwandten geht, oder um die Gefahr eines solchen Todes, also Themen, die wirklich berühren. Diese Jugendlichen können ihre Arbeiten oft nicht fertigstellen. Mein Rat: Das Thema sollte einen interessieren, man sollte aber auch nicht zu nahe dran sein.

Was raten Sie Schülerinnen und Schülern, die zur Halbzeit ihrer VWA bemerken, dass sie das Thema eigentlich nicht wirklich interessiert, und die deshalb nicht mehr vorankommen?
Da trifft sich mein Zugang mit dem der Lehrenden in der Weiterbildung: Die Spanne zwischen Einreichung des Themas und dem tatsächlichen Arbeiten daran, also dieses eine Jahr, ist für diese Altersgruppe viel zu lange. Wenn das Thema aber einmal eingereicht ist, kann man sich davon leider nicht mehr trennen. Also rate ich dazu, nicht unbedingt die Themen, die gerade tagesaktuell sind, aufzugreifen, sondern eher etwas, was einen schon länger beschäftigt.