Die VWA als Gedankenexperiment zum Stillen der Neugier

Ella Wolff erzählt über ihre Erfahrungen beim Erstellen ihrer Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) zum Thema „Die Chansonette in den Krisenjahren 1914 und 1930 am Fallbeispiel Sylva Varescu und Sally Bowles“.

ahs-vwa.at: Ella, wie ist es dir bei der Themenfindung für deine VWA ergangen?
Ella Wolff: Ich habe von Anfang an gewusst, dass ich meine VWA zum Thema Musiktheater schreiben würde, denn das war seit Jahren mein Hauptinteresse. Schon zu Beginn der Oberstufe habe ich etwa nach Theaterbesuchen Ideen in einem Notizbuch gesammelt. Das tatsächliche Thema hat dann eher mich gefunden als umgekehrt. Denn eines Abends, es war am Anfang der 6. Klasse, kam mir ein Gedanke, dem ich unbedingt nachgehen wollte: nämlich, dass die beiden fiktiven Varietésängerinnen Sylva Varescu und Sally Bowles (wie viele Menschen heutzutage) die Krisen ihrer Zeit bewusst ignoriert und sich mit Unterhaltung abgelenkt haben. Also habe ich die These, die ich später für meine VWA verwendet habe, gleich meiner [zukünftigen] Betreuerin präsentiert. Ein Eingrenzen des Themas bzw. der Fragestellung war bei mir dann gar nicht mehr notwendig.

Hast du es während des Arbeitens bereut, dieses Thema ausgewählt zu haben?
Auf keinen Fall! Ich war fasziniert von den beiden Stücken, die ich untersucht habe. Zusätzlich wusste ich, dass meine Arbeit an diesem Thema einzigartig ist, dass noch niemand mein Gebiet in dieser Hinsicht untersucht hat. Die VWA sah ich als ein Gedankenexperiment, mit dem ich meine Neugier stillen wollte. Dass ich ständig auf die in der Arbeit behandelten Produktionen in Form von Videos zugreifen konnte, war sicherlich eine Hilfe. Jedes Mal sah ich etwas Neues, das ich unbedingt verwenden wollte. Langweilig wurde mir also nicht.

Deine Meinung: Sollte man das Thema seiner VWA eher allgemein halten oder lieber enge Grenzen ziehen?
In der VWA scheint es darum zu gehen, dass wir Maturantinnen und Maturanten anhand von unterschiedlichen Quellen einen Sachverhalt darstellen, ihn diskutieren und auseinandergehende Meinungen bewerten können. Das geht meiner Meinung nach nur, wenn man sich mit seinem Thema auf einer Mikroebene beschäftigt; den Blick fürs Ganze darf man aber nicht verlieren. Ich würde empfehlen, sich ins Thema zu vertiefen, das macht die Quellenarbeit und die Argumentation leichter. Ein Thema ist zu stark eingegrenzt, wenn kein Diskussionspotenzial mehr besteht. Die Tendenz ist aber eher, dass Schülerinnen und Schüler zu allgemein denken.

Wann hast du mit der Arbeit an deiner VWA begonnen und würdest du das heute anders machen?
Erste Ideen für meine VWA begann ich mit Eintritt in die Oberstufe zu sammeln. Das war sicher gut so, ich habe niemals Druck verspürt. So war das Grundgerüst meiner VWA schon im zweiten Semester der 6. Klasse vorhanden. Rückblickend sind die drei Jahre, die ich mit meiner VWA verbracht habe, natürlich wirklich eine lange Zeit. Ich habe sehr intrinsisch gearbeitet, für mich war die VWA nie eine Belastung. Wenn man weiß, wohin man will, sollte es absolut reichen, in [Anm.: den ersten Monaten] der 7. Klasse nach Themen Ausschau zu halten!

Für dich wäre es somit vermutlich auch nicht schwer, deine VWA-Termine einzuhalten.
Überhaupt nicht. So früh, wie ich begonnen habe, war ich meistens einen Schritt voraus. Der Erwartungshorizont war im Dezember fertig, der Erstentwurf [der VWA] Anfang August. So hatte ich den gesamten Herbst der 8. Klasse zur Überarbeitung – das hat sich bezahlt gemacht. Die Betreuungsgespräche waren sowieso kein Problem; meistens habe ich um eines gebeten. Eigenständig vorgeschlagene Termine hält man lieber ein.

Welche Arbeiten zur VWA sollten Schüler*innen deiner Erfahrung nach bereits in den Sommerferien erledigen?
Mir persönlich hat es gutgetan, die Arbeit in den Sommerferien zu schreiben, weil der Stressfaktor danach wegfällt. Ich habe auch festgestellt: Mit guter Vorarbeit schreibt sich die Arbeit wie von selbst. Mein Tipp ist, intensiv über die VWA nachzudenken und Stichworte festzuhalten. Das kann vor dem Schlafengehen, im Auto oder in der TikTok-Pause geschehen. Wenn man sich bewusst ist, wo man argumentativ hinwill, was man aufzeigen möchte, ist das schon mehr als die halbe Miete.

Welche Aufgabe kam deiner Betreuungsperson zu? Was war dir besonders wichtig? Fühltest du dich gut betreut?
Eine beratende Funktion auf Augenhöhe. Dank schulischer Unterstützungsangebote, wie einer unverbindlichen VWA-Übung und einem Skriptum zu Quellenangaben, formalen Richtlinien und inhaltlichen Tipps, war ich mir meiner Aufgaben im Großen und Ganzen bewusst. Meine Betreuungsgespräche waren für uns beide, denke ich, ein Genuss – wir haben uns ausgetauscht, beizeiten über meine Figuren diskutiert und die Freude am Thema definitiv geteilt. Dabei bin ich vor allem dankbar für die Wertschätzung, die ich von meiner Betreuerin erhalten habe. Ich war als eigentliche Expertin des Themas anerkannt; meine Betreuerin (Fach Deutsch) unterstützte mich mit ihren Erfahrungen aus der Literaturwissenschaft.

Hattest du einmal so etwas wie eine Schreibblockade oder bist du bei einem Bereich etwas stecken geblieben?
Eine Schreibblockade hatte ich nicht wirklich, aber ich kann mich gut erinnern, dass ich am Anfang der Schreibarbeit bei einem Kapitel argumentativ überhaupt nicht weitergekommen bin und auch keine Lösungen parat hatte. Ich bat meine Betreuerin um ein Brainstorming, in dem wir uns der Ausgangsfrage wieder genähert und den Knoten gelöst haben. Das war extrem hilfreich.

Welcher Bereich des Arbeitens war für dich am schwierigsten?
Die formalen Anforderungen. Jede Schule hat ihre eigenen (Zitier-)Regeln, und diese unterscheiden sich erst recht wieder von universitären Ansprüchen. Einfach war das nicht, aber man darf sich nicht scheuen, bei der Betreuungsperson nachzufragen. Zudem kann einem die Arbeitszeit von über zwei Jahren* schon sehr lang vorkommen.

Welche Tipps kannst du zur Präsentation der VWA geben?
Wirklich Bescheid über sein Thema zu wissen – also absolute Sicherheit zu haben. Die Präsentation scheint zumindest in meinem schulischen Umfeld damals keine Hürde gewesen zu sein; ich finde, es ist eine Sache des Mindsets. Ich habe mich gefreut, nach der langen Arbeitszeit mein Endergebnis endlich vorzustellen zu dürfen, und bin dementsprechend entspannt an die Sache herangegangen. Die Diskussion im Anschluss war mehr Chance als Belastung, da ich einzelne Themenbereiche ausführlicher erläutern und auch durchaus spannende Fragen beantworten konnte.

Zum Abschluss: Was ist dein persönlicher Tipp für alle, die ihre VWA noch vor sich haben?
Der Schlüssel zu einer ansprechenden VWA ist meiner Meinung nach, so früh wie möglich zu wissen, was einen interessiert, noch besser, was einen neugierig macht. Neugier ist der beste Antrieb. Man sollte sich außerdem nicht scheuen, das umfassende Betreuungsangebot anzunehmen; die Lehrpersonen unterstützen in den allermeisten Fällen sehr gerne. Wenn es dann zum Schreiben kommt: Man sollte wissen, wo man hinwill. Sich argumentative Ziele setzen. Bewerten, auf welche Weise man Quellen in die eigene Arbeit einfließen lassen kann. Zuallerletzt aber: nicht die Freude verlieren!

* Anm.: Ein Arbeitszeitraum von über zwei Jahren betraft die Arbeit von Ella, ist aber nicht der Regelfall.

März 2023